Führung über den Jüdischen Friedhof Würselen – Morsbach

Am So 21.05.2023 trafen sich 23 Mitglieder der Geschichtswerkstatt Würselen e. V, deren Gäste und andere Interessierte Ecke Waldstraße, Steingasse, Gouleystraße, um im Rahmen des Projektes „Jüdisches Leben in Würselen“ den Friedhof in Morsbach kennen zu lernen. Unter ihnen war auch Rainer Haas, der neue Denkmalschutzbeauftragte der Stadt Würselen. Der Friedhof ist ein bedeutendes Zeugnis für unsere Ortsgeschichte und seit 1985 in der Denkmalschutzliste der Stadt eingetragen.

Vorstandsmitglied Rolf Rüland gab eine kurze allgemeine Einführung in die Entstehung jüdischen Lebens mit seinem beeindruckenden Engagement in Bildung, Wirtschaft und Industrie, Kunst, Militär und Wissenschaft  im 19. Jahrhundert. Wichtige Stichwörter waren Assimilierung, Integration und Emanzipation. Die jüdische Bevölkerung erlangte erstmalig eine allgemeine Gleichstellung einschließlich Gewerbe- und Wohnortfreiheit. Dies ist zu verstehen vor dem Hintergrund der Aufklärung, des Code civil der napoleonischen Zeit, des preußischen Generaljudenreglement, der sozialen Umschichtungen und der Stärkung des aufstrebenden Bürgertums.

Dann übernahm Iris Gedig, ebenfalls Mitglied der Geschichtswerkstatt und Herausgeberin der nicht kommerziellen Familienforschungs-Webseite www.familienbuch-euregio.de. In der Literatur war bislang nur die Vermutung zu lesen, dass der jüdische Friedhof in Würselen-Morsbach wohl im Zusammenhang mit der Verlegung des Bethauses von Weiden nach Würselen um 1856 angelegt worden sei. Durch Recherchen des Vereinsmitglieds Gerd Welper auf der Basis alter Katasterunterlagen kann aber jetzt davon ausgegangen werden, dass die Bürgermeisterei Würselen bereits 1839 das Grundstück erworben hat. Im Laufe der Jahre haben sich Form und Ausdehnung des Friedhofs mehrfach geändert.

Vermutlich ist dort 1842 als erster der nur zwei Monate alte Abraham Hartog begraben worden. Der älteste erhaltene und noch lesbare Grabstein datiert von 1874. Es sind insgesamt 22 Grabsteine erhalten, 18 davon mit lesbarer Inschrift, teilweise in hebräischer Schrift. Vier sind ohne Inschrift. Die Gräber sind in der Reihenfolge der Bestattungen angelegt. Ordnet man aber ähnlich geformte Grabsteine einander zu, lassen sich ganze Familiengeschichten erzählen.

Als letzter Jude ist dort im Juni 1939 Gustav Joseph aus Bardenberg begraben worden.

Damit ist die Geschichte des jüdischen Friedhofs aber noch lange nicht zu Ende. Bei der näheren Beschäftigung mit den folgenden Jahren ergeben sich immer neue Fragen, auf die zur Zeit noch Antworten gesucht werden.

Die erste, wohl nicht vor 1906 errichtete Mauer musste mehrfach erneuert und ausgebessert werden, weil sie u.a. als Steinbruch genutzt wurde. Es gab Zeiten, in denen der Friedhof seiner Aufgabe als Ort der Totenruhe gerecht werden konnte. Er hat aber auch Zeiten der Verwüstung und des Vandalismus gekannt. Es wird Hinweisen nachgegangen, dass dort in den 1940er Jahren Zwangsarbeiter begraben wurden und vermutlich bis heute dort bestattet sind.

Wir hoffen, in absehbarer Zeit gesicherte Forschungsergebnisse im Rahmen der Geschichtswerkstatt Würselen e.V. vorstellen zu können.

V.l.n.r.: Günter Breuer, Rolf Rüland, Gabriele Eichelmann, Iris Gedig